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    Wandern – was ist das eigentlich? Der Versuch einer Definition

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    Wandern – was ist das eigentlich? Der Versuch einer Definition

    Wandern ist eine Tätigkeit der Beine – und ein Zustand der Seele

    Josef Hofmiller

    Dieses Bonmot des Allgäuer Schriftstellers und begeisterten Wanderers Josef Hofmiller trifft den Kern der inzwischen wieder auflebenden Wanderbegeisterung. Auf gesunde Weise wird die sportliche Leistungsfähigkeit der Beine beziehungsweise des ganzen Körpers trainiert, und gleichzeitig vermittelt das Unterwegssein und das Naturerleben ein einmaliges Gefühl von Entspannung und Erhabenheit.

    Jetzt stellt sich aber die Frage: wann stellt sich diese Gefühl denn ein? Was ist denn eigentlich Wandern? Denn natürlich ist nicht jede Form der Fortbewegung zu Fuß auch gleich Wandern. Zuerst einmal kann man zu einem bestimmten Zweck wandern, wie es heute noch die Zimmerleute auf der Walz tun. Im Allgemeinen meinen wir mit Wandern aber eine gehende Fortbewegung als Selbstzweck. Also Wandern um den Wanderns willen.

    Allerdings haben auch ein sonntäglicher Stadtbummel oder ein Spaziergang keinen anderen Zweck als das Gehen an sich. Ist also jeder Spaziergänger gleich ein Wanderer? Wohl kaum! Das sagt einem ja schon das Bauchgefühl. Eine repräsentative Befragung durch den Deutschen Wanderverband, was denn nun unter dem Begriff “Wandern” gemeinhin verstanden wird, kommt zu folgender Definition: Wandern ist Gehen in der Landschaft. Es ist eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die das mentale und physische Wohlbefinden fördert. Charakteristisch für eine Wanderung ist demnach auch: eine Dauer von mehr als einer Stunde auf Basis entsprechender Planung. Dabei nutzt der Wanderer eine spezifische Infrastruktur und eine angepasste Ausrüstung.

    Die körperliche Herausforderung, der sich der Wanderer stellt, kann dabei ganz erheblich sein! Einen besonderen Hype erlebt gerade das Fernwandern, das neumodisch als Thru-Hiking bezeichnet wird. Durch die Bücher von Bill Bryson und Cheryl Strayed sowie die Verfilmung von “Wild – Der Große Trip” sind die großen us-amerikanischen Trails gerade besonders in Mode. Und auch der Jakobsweg, der ja bekanntlich immer vor der eigenen Haustür beginnt, hat durch diverse Bücher einen riesigen Zuwachs an Pilgern und Wanderern erlebt.

    Pilgern ist überhaupt wohl die ursprünglichste Form des Wanderns, die auch den Gedanken Hofmillers an die Seele in das Zentrum des Wandererlebnisses rückt. Aber auch für weniger religiös motivierte Menschen gibt es eine Erklärung, warum Wandern so unheimlich wohltuend wirkt: das Erleben des Flow, also eines absoluten Aufgehens in einer Tätigkeit, kann sich bei ausreichend langen Wanderungen einstellen. Psychologen, die diesen Zustand erforscht haben, beschreiben Flow als Zustand eines beglückenden Tätigkeitsrausches bis hin zu ekstatischer Trance. Das sollte doch motivieren, das Wandern einmal zu versuchen.

    DAS KÖNNEN IST DES DÜRFENS MASS

    Paul Preuss

    Letztlich ist es dann also egal, ob man bergwandert, bergsteigt, Nordic Walking betreibt oder sich auf Pilgerschaft begibt. Bei allen feinen Nuancen und wohldefinierten Unterschieden in der Ausgestaltung der Wanderschaft, stehen die eigene Motivation und das sich einstellende Wohlbefinden im Mittelpunkt. Dafür ist es wichtig, dass die Anforderungen zu der körperlicher und mentalen Leistungsfähigkeit der Wanderer passen und man sich weder unter- noch überfordert. “Das Können ist des Dürfens Maß”, so lautet die bergsteigerische Grundregel Paul Preuß’. Dann stellt sich schnell der Spaß am Wandern ein und vielleicht auch das Flow-Erlebnis.

    Die Wiederbelebung der Wanderlust in der heutigen Gesellschaft zeugt von einem tiefen Bedürfnis nach Verbindung mit der Natur und einem Ausgleich zum hektischen Alltagsleben. Durch das Wandern entdecken wir nicht nur die äußere Landschaft, sondern auch die inneren Landschaften unserer Seele. Es fordert uns auf, unsere Grenzen zu erkunden und zu erweitern, während es gleichzeitig Raum für Stille und meditative Einkehr bietet.

    Wandern ist nicht einfach eine Fortbewegung; es ist eine Philosophie, eine Art zu leben und zu erleben. Die Definition des Wanderns mag variieren, doch im Kern geht es um die Bewegung durch die Landschaft, um das Erleben der Natur mit allen Sinnen, um die Herausforderung und die Überwindung, um die Entdeckung und das Staunen. Es ist eine Aktivität, die durch ihre Einfachheit besticht und dennoch eine Tiefe und Vielfältigkeit birgt, die in wenigen anderen Tätigkeiten zu finden ist.

    Die psychologischen Effekte des Wanderns, insbesondere das Erreichen des Flow-Zustandes, sind gut dokumentiert. Dieser Zustand, in dem man völlig in der Aktivität aufgeht, bietet tiefe Zufriedenheit und Glücksgefühle, die weit über den Moment hinaus anhalten können. Die Herausforderung, die Natur, die Dauer und die Intensität der Wanderung spielen zusammen, um diesen Zustand zu ermöglichen, der sowohl entspannend als auch belebend wirkt.

    Die psychologischen Effekte des Wanderns sind vielfältig und tiefgreifend, reichend von unmittelbarer Stressreduktion bis hin zu langfristigen Vorteilen für die psychische Gesundheit. Beim Wandern kommt es zu einer einzigartigen Verbindung zwischen Körper und Geist, die einen Zustand fördert, in dem Sorgen und Stress des Alltags in den Hintergrund treten. Die rhythmische Bewegung und das Eintauchen in die Natur wirken meditativ und können zu einer tiefen inneren Ruhe führen. Diese Effekte sind nicht nur während der Wanderung selbst spürbar, sondern können auch nachhaltig das allgemeine Wohlbefinden verbessern. Insgesamt bietet Wandern eine kraftvolle, natürliche Therapie für den Geist, die weit über die unmittelbare Freude der Bewegung hinausgeht. Es ist eine Quelle der Erneuerung und Inspiration, die die Grundlagen für eine gesunde Psyche legt und ein zentrales Element für ein ausgewogenes, zufriedenes Leben darstellt.

    Eines der sofort spürbaren Ergebnisse des Wanderns ist die Reduktion von Stress. Die natürliche Umgebung wirkt beruhigend auf den Geist, und die physische Aktivität hilft, Stresshormone wie Cortisol abzubauen. Dieser Effekt wird durch die grüne Umgebung, das Rauschen der Blätter, das Plätschern eines Baches oder den Duft der Waldluft verstärkt, die alle zur Entspannung beitragen. Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Wandern zu einer allgemeinen Senkung des Stressniveaus führen kann, was wiederum das Risiko für stressbedingte Erkrankungen verringert.

    Wandern hat auch einen starken Einfluss auf die Stimmung. Die Bewegung fördert die Produktion von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen, die für ihre stimmungsaufhellenden und angstlösenden Effekte bekannt sind. Darüber hinaus bietet die ästhetische Schönheit der Natur, die beim Wandern erlebt wird, eine Quelle der Freude und Bewunderung, die das emotionale Wohlbefinden steigert. Personen, die regelmäßig wandern, berichten häufig von einer verbesserten Lebensqualität und einem Gefühl der Zufriedenheit.

    Wandern kann auch die kognitive Funktion verbessern, indem es die mentale Klarheit fördert und kreative Denkprozesse anregt. Die Abgeschiedenheit und Ruhe der Natur ermöglichen es dem Geist, von den Ablenkungen des Alltags Abstand zu nehmen, was das freie Fließen von Gedanken und die Lösung komplexer Probleme erleichtert. Einige Forschungen deuten darauf hin, dass Zeit in der Natur die Konzentrationsfähigkeit verbessert und zu originellen, kreativen Lösungsansätzen inspirieren kann.

    Das Überwinden von physischen Herausforderungen und das Erreichen von Wanderzielen stärken das Selbstbewusstsein und die persönliche Resilienz. Jeder Gipfel, jeder zurückgelegte Kilometer kann als Metapher für die Bewältigung von Lebensherausforderungen gesehen werden, was zu einem gestärkten Selbstbild und einem Gefühl der Selbstwirksamkeit führt. Diese Erfahrungen beim Wandern tragen dazu bei, dass Individuen sich kompetenter fühlen, Herausforderungen im Leben mit größerer Zuversicht zu begegnen.

    Obwohl dies vielleicht nicht sofort als psychologischer Effekt erscheint, spielt die Verbesserung der sozialen Bindungen durch gemeinsames Wandern eine wesentliche Rolle für die psychische Gesundheit. Die geteilte Erfahrung, die natürliche Schönheit und die gemeinsamen Herausforderungen fördern ein Gefühl der Verbundenheit und des Verständnisses unter den Wanderern. Diese sozialen Interaktionen können das Gefühl der Einsamkeit verringern und bieten eine unterstützende Gemeinschaft, die das emotionale Wohlbefinden stärkt.

    Dabei ist die Vielfalt des Wanderns grenzenlos. Von kurzen Spaziergängen bis hin zu langen Fernwanderungen, von Pilgerreisen bis hin zu anspruchsvollen Bergtouren, bietet das Wandern für jeden etwas. Es ist eine demokratische Freizeitbeschäftigung, zugänglich für alle Altersgruppen und Fitnessniveaus, die nur den Wunsch nach Bewegung und das Interesse an der Natur voraussetzt.

    Die soziale Komponente des Wanderns, die Möglichkeit, Erfahrungen und Herausforderungen mit anderen zu teilen, stärkt nicht nur individuelle Bindungen, sondern fördert auch ein Gefühl der Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Es ist diese Kombination aus physischer Aktivität, psychologischer Erholung und sozialer Interaktion, die das Wandern zu einer so bereichernden Erfahrung macht.

    In der Praxis des Wanderns finden wir eine lebendige Tradition, die uns lehrt, unsere Umwelt zu respektieren und zu schützen. Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Ökosystems sind und dass unsere Handlungen und Entscheidungen Auswirkungen auf unsere natürliche Umgebung haben. Wandern bietet eine Plattform für nachhaltigen Tourismus und für Bildung über Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

    Schließlich ist Wandern eine Einladung, das Leben in einem anderen Tempo zu erleben. Es ermutigt uns, innezuhalten, zu beobachten und zu schätzen, was uns umgibt. In einer Welt, die oft laut und fordernd ist, bietet Wandern einen friedvollen Rückzugsort, einen Ort der Ruhe und der inneren Einkehr. Es ist eine Praxis, die Körper, Geist und Seele harmonisiert und uns lehrt, die Schönheit des Augenblicks zu schätzen.

    Wo ist also der beste Ort zum Wandern? Überall, wo es einen Pfad oder einen Weg gibt, der durch die Natur führt. Und die beste Zeit dafür? Jeder Moment, der uns dazu inspiriert, nach draußen zu treten und die Welt mit offenen Augen und einem offenen Herzen zu erkunden. Wandern ist eine Einladung, die Welt und uns selbst auf die wohl ursprünglichste und tiefgründigste Weise zu erleben.

    Wo ist also ein guter Ort zum Wandern? Hier! Und die beste Zeit? Jetzt!

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