Der Wecker geht am Samstag, 22.01.14, um 5:30 Uhr in der Früh in Lausanne, wir frühstücken eben was, dann wird das ganze Gerödel in das Auto gepackt und los geht’s. Wir sind zu viert, und drei Viertel davon schlafen im Auto auch direkt wieder ein. Ankunft um ca. 8 Uhr auf dem Simplonpass vor dem Simplon Hospiz, ein Block von Haus. Meinen Kumpel erinnert das Haus an das in “Shining” von Kubrick, ich kenne den Film noch nicht mal vom Namen. Aber zum Glück ist Infrastruktur ja immer nur der Ausgangspunkt bei Bergtouren, also lassen wir die Bauten schnell hinter uns und steigen durch hügeliges Gelände an in Richtung des vom Hübschhorn herunterziehenden Nordsporns.
Das Wetter ist sonnig, ein paar Wolken ziehen über die Gipfel und vom Wind merkt man hier unten noch gar nichts. Auf ca. 2350m quert die Spur die steilste Stelle im Hand, heute bei besten Verhältnissen kein Problem. Ab nun sind wir im Schatten, wir sehen auch ein paar Leute weiter vorne in der Spur. Nie zu weit weg unter der eindrucksvollen Wand vom Hübschhorn geht es im Zickzack Richtung Homuttapass (2867m), wo die ersten einem schon wieder entgegenkommen. Heute kehren alle auf dem Breithornpass oder dem Breithorn um, es ist einfach viel zu windig in der Höhe.
Endlich in der Sonne, ziehen wir langsam aber stetig hinauf Richtung Breithornpass, treffen noch eine Alleingängerin, welche heute auch nur auf dem Pass umgekehrt ist, und nun den wahnsinns Pulverschnee geniessen kann. Die Lawinensituation ist ausgezeichnet für diese Tage, eine feste Basis und lockerer Schnee obenauf. Die Triebschneeansammlungen sind auf dieser Normalroute allesamt klein, die kleine Wächte am Breithornpass maximal hart.
Oben am Breithornpass (3345m) schlägt uns dann der Wind ins Gesicht, und wir können durch die durchziehenden Wolkenschwaden endlich unser Ziel sehen, den Monte Leone. Schräg stellt er sich am Ende des Alpjergletschers empor, den Südgrat (Normalweg) hat man bestens im Blick. Bei diesem Wind ist ein Gipfelanstieg auf dem Grat allerdings nicht empfehlenswert, ausser man hat einen Fallschirm dabei. Aber laut Wettervorhersage gibt es morgen ja ein Kaiserwetter, deswegen suchen wir nun erstmal ein Plätzchen für unser Lager. Wir fahren etwas Richtung Osten, bis wir auf die Felsen treffen, die jetzt im Winter fast komplett unter Schnee liegen. Mal hier und dort umgeschaut, finden wir endlich unterhalb einiger großer Steine eine kleine Mulde, die den Wind am Besten abhält. Das ist ungefähr auf 3240m, auf der Schweizer Topo gerade am Felsriegel auf dieser Höhe. Jetzt ist es 14 Uhr, wir haben also 5,5 Stunden bis hierher gebraucht.
Wir graben ein Loch für das Zelt, einen Windfang für die dem Gletscher zugewandte Seite und eine Küchenähnliche Ablage für den Kocher. Ich fühle mich nicht so gut, lege mich erstmal auf die Isomatte in den Biwaksack und verschlafe quasi den Rest vom Tag. Irgendwann bauen wir das Zelt auf und ich verfrachte mich nach drinnen. In der Höhe und im Winter muss man wirklich aufpassen, genug zu trinken. Zwei der anderen fahren noch einmal den Hang herunter, dann wird Suppe gekocht. Wir denken schon ans Absteigen, sollte es mir schlechter gehen. Aber dann wird es Nacht, der Wind frischt auf, wir sind jetzt zu dritt im Zelt und haben ganz andere Sorgen. Es knallt und rauscht, man schläft im Stundenrhythmus immer mal ein paar Minuten. Ich nutze die Zeit und trinke zwischendurch. Erst als die Zeltwand heller wird, lässt der Wind nach und hört gegen 8 Uhr ganz auf. Der Kumpel von außen ist schon länger auf den Beinen, es war immerhin etwas kälter als im Zelt. Wir frühstücken, geniessen die Sonne und packen gemächlich unsere Sachen für den Gipfelanstieg. Mir geht es wieder ausgezeichnet, trotzdem passe ich noch auf, mich nicht zu überanstrengen.
Wir machen uns auf den Weg über den Alpjergletscher und erreichen schnell den Südgrat bei P.3373. Wir lassen die Skier am Gletscherrand zurück, steigen im Trittschnee auf den Grat und freuen uns über das wahnsinnig traumhafte Winterwetter heute. Keine einzige Wolke über den Bergen, Italien unter Dunst und Blick bis zu den Apenninen. Läuft man in zehn Minuten auf der einen Seite des Grates hoch, bräuchte man auf der anderen wesentlich länger, geht es doch mehr als 1000 Meter fast senkrecht hinab.
Jetzt die Pickel (ohne Steigeisen) rausnehmen und los gehts, ein paar Spuren sind noch sichtbar. Am Anfang werden ein paar Felsen umgangen oder überkraxelt, bis der lange Schneegrat einfach hochgestiegen werden kann, bis kurz vor dem Gipfel nochmal ein paarmal zugegriffen werden muss. Gegen 11:30 Uhr sind wir dann am Gipfelkreuz (3553m), zu allen Seiten die Schweizer Berge, perfekte Sicht, niemand sonst ist bis jetzt auf dem Weg hierher. Wenn man jemandem die Schweizer Bergwelt Gipfel für Gipfel aufzählen möchte, dieser Berg ist auf jeden Fall dafür gemacht. Wir sehen auch jede Menge Leute auf das Breithorn steigen. Und unser Zelt ganz klein auf dem Gletscher. Es windet nur minimal hier oben. Nach ca. 15 Minuten machen wir uns auf den Rückweg. An einer Stelle nehmen wir zur Sicherheit das Seil, wir haben schliesslich Zeit und haben es hochgetragen und fühlen uns damit um Welten sicherer auf dem Schneegrat. Kurz vor P.3373 treffen wir dann auf zwei Frauen, welche vom Breithornpass herunterkamen.
Die Skier wieder anschnallen, geht es wieder zurück zum Zelt, wir kochen nochmal eine warme Suppe, einen Kaffee, und packen ganz entspannt unsere Sachen zusammen. Die Sonne knallt, wir cremen uns zum wiederholten Male mit 50er Sonnencreme ein. Meine schöne Schokoladentüte wird als Mülltüte missbraucht, ein Jammer.
Wir schultern die schweren Rucksäcke, laufen auf den Breithornpass und entledigen uns nochmal aller unnötigen Dinge, um in 20 Minuten auf das Breithorn (3437m) zu laufen. Hier nochmal das Panorama, die Fletschhornwand und den Monte Leone, bewundern und als fast letzte an diesem Tag herunterfahren. Auf dem Pass wieder bepackt und dann mit gefühlten 100 kg auf dem Rücken den Homuttagletscher abgefahren. Superschöner Pulverschnee, die alten Spuren gleichmäßig verblasen, ziehen wir gen Tal. Mit soviel Gepäck braucht man schon hin und wieder Pausen. Wir fahren den Aufstiegsweg wieder ab, bis kurz vor das Hospiz ist der Schnee locker und weich, und sogar die Sonne ist noch da, als wir gegen 16 Uhr am Auto ankommen.
Man kann die Tour natürlich auch an einem Tag machen, aber wir hatten das ganze Wochenende Zeit, und das Wetter war am Samstag nicht so gut angesagt. Hätten wir dort schon den Gipfel geschafft, wären wir wohl abgefahren und am Sonntag auf der anderen Talseite hochgelaufen (Spitzhorn usw…).