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    Outdoor Kleidung: das optimierte Zwiebelprinzip

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    Outdoor Kleidung: das optimierte Zwiebelprinzip

    Das herkömmliche Zwiebelprinzip ist nicht an höhere Beanspruchungen angepasst

    Das Zwiebelprinzip bezieht sich auf die Schichtung der Kleidung bei Outdoor-Aktivitäten. Das herkömmlich bekannte und ‘gelehrte’ Zwiebelschalenprinzip ist Outdoor meiner Meinung nach jedoch nicht optimal auf höhere Beanspruchungen als dem Spazierengehen angepasst.

    Bei der Auswahl der richtigen Kleidung geht es im Grunde um Schutz vor den Elementen wie Regen, Schnee und Wind! Kleidung sollte nach diesem Prinzip ausgewählt werden. Das zweite Prinzip ist speziell bei sportlicher Betätigungen wichtig: der physikalische Effekt der Verdunstungskühlung. Wenn Wasser auf einer Oberfläche verdunstet, wird Energie abgegeben. Das führt zu einem kühlenden Effekt. Diesen Effekt gilt es nun, intelligent für sich zu nutzen: im Sommer kann man durch Feuchtigkeit beziehungsweise deren Verdunstung helfen, den Körper auf die optimale Betriebstemperatur zu kühlen. Im Winter ist dieser kühlende Effekt natürlich absolut zu vermeiden. Kurz: im Sommer darf und soll der Schweiß den Körper kühlen, im Winter kann das wiederum schlimme Folgen haben. Mit dem Zwiebelprinzip kann man diese Effekte steuern.

    Zum Klettern, Bergwandern oder Trekken, also beim Bergsport allgemein, sollte man sich jedoch nicht zu sehr von Wundermaterialien der Hersteller beeindrucken lassen. Selbstverständlich bieten diese nicht nur für jede denkbare Situation die passende Kleidung, es werden sogar Bedürfnisse geweckt und Situationen erschaffen, die zwar zu höheren Verkaufszahlen führen, nicht aber dem tatsächlichen Anwendungsbereich entsprechen.

    Herkömmliches Zwiebelprinzip

    Das herkömmliche Zwiebelschalenprinzip beruht auf der Idee, dass mehrere Lagen Funktionskleidung übereinander getragen werden. Dem Klima und dem Wetter angepasst, werden verschiedene Schichtstärken und Längen kombiniert, von Innen nach Außen also: schweißtransportierende Unterwäsche (Baselayer), darüber eine Isolationsschicht, falls nötig, und darüber dann eine atmungsaktive und/oder wasserdichte Schicht (Hardshell oder Softshell – je nach Wetter entweder mit wasserdichter Membran oder reicht nur winddichtes Material).

    Im Prinzip ist dieser Lagenlook eine gute Grundlage zum spazieren gehen, es muss jedoch für schweißtreibende Outdoor-Anwendungen wie Wandern, Bergsteigen oder Laufen und Trailrunning erheblich konkretisiert und sorgfältig angepasst werden. In diesem Artikel sprechen wir noch weitere wichtige Punkte an, die es bei der Auswahl von Funktionskleidung zu beachten gilt.

    Oft wird (Konsum!) zu viel Kleidung und zu warme Kleidung mitgenommen. Da kommen schnell Kilos zusammen, die sowieso nie getragen oder falsch getragen werden. Wer kennt sie nicht: die perfekt Ausgerüsteten, die in schicke schwarze Softshellteile gewickelten Gipfelstürmer, die sich mit hochrotem Kopf und schwitzend durch die Mittagssonne quälen. Ich gesteht, ich neig(t)e ja selbst dazu. Man packt seine größten Ängste mit ein und opfert diesen Ängsten sogar unterwegs eine gewisse Beschwingtheit und Natürlichkeit.

    Es folgt eine kurze Übersicht der Lagen und den dahinter stehenden Aufgaben der einzelnen Schichten:

    1. Lage: Baselayer

    Die erste Lage im Zwiebelprinzip wird direkt auf der Haut getragen, also Unterwäsche oder auch Baselayer genannt. Diese muss den Schweiß aufnehmen und an die nächste Lage weiter geben. Das Material selbst sollte keine Feuchtigkeit halten, sondern nur weiter transportieren.

    Der größte Fehler, der hier gemacht wird, ist Baumwolle zu benutzen. Baumwolle nimmt die Feuchtigkeit auf, gibt sie aber nicht mehr ab und wird so feucht und klamm. Zudem kollabieren die Baumwollfasern, sobald sie nass sind. Diese Fasern haben eine kleinere Oberfläche und legt sich eng an die Haut. Wasser ist ein guter Wärmeleiter, so sorgen die nassen, kollabierten Baumwollfasern für Auskühlung. 

    Die so beliebten Teile aus Merinowolle sind auch nicht so wirklich optimal, da auch sie die Feuchtigkeit halten. Die Wollfasern kollabieren bei Nässe aber nicht so stark wie Baumwolle, daher wird ein feuchtes Merinoteil als angenehmer empfunden als ein feuchtes Baumwollteil. 

    Ein Funktionsshirt aus Polyester oder einer anderen Funktionsfaser ist immer noch die beste Wahl, da es kaum Feuchtigkeit aufnimmt, sondern direkt weiter leitet. Derartige Funktionswäsche muss zudem möglichst eng anliegen, damit der Schweiß-Abtransport gewährleistet ist.

    2. Lage: Isolation

    Auf den Baselayer kommt die Isolationsschicht. Diese Lage sorgt für den Wärmerückhalt und sollte der Witterung entsprechend ihrer Dicke und Wärmeleistung angepasst sein. Bei großer Kälte kann der Midlayer auch aus mehreren Lagen bestehen. Hier gilt auch, wie beim Baselayer: eine falsche Isolationsschicht saugt sich mit Wasser voll. Ein Baumwollhoody mag zwar gut aussehen, ist aber nach einem schweißtreibenden Aufstieg vollgesogen und isoliert nicht mehr. Die zweite Lage sollte luftig und atmungsaktiv sein, und darf weder wind- noch wasserdicht sein, da diese Eigenschaften den Dampfdurchgang erschweren. Das ist, wie weiter unten besprochen, der Grund, warum man Daune oder Kunstfaser besser “oben drauf” trägt.

    3. Lage: Wetterschutz

    Die äußere Schicht der Zwiebel schützt vor Witterungseinflüssen, hält Wind und/oder Wasser ab und sollte für den Anwendungszweck robust genug sein. Der Wetterschutz und die zugehörigen Membrantechnologien sind eine Wissenschaft für sich, darum erläutere ich hier nur die absoluten Grundlagen:

    • Softshells sind winddicht und wasserabweisend – aber nicht wasserdicht. Dafür sind sie aber – normalerweise – deutlich atmungsaktiver als Regenjacken. Natürlich gibt es auch hier verschiedene Verarbeitungsqualitäten. Manche Softshells am Markt haben eine winddichte Membran verarbeitet, die sogar eine gewisse Zeit lang vor Nässe von außen schützt. Allerdings wird durch solch eine Membran natürlich die Atmungsaktivität herabgesetzt. Teilweise ist die Dampfdurchlässigkeit durch die Membran derart herabgesetzt, dass sie, was die Atmungsaktivität angeht, gegenüber einer Regenjacke keinen Vorteil mehr haben. Beispiel: der MVTR einer günstigen Regenjacke liegt bei 6000g/m2/24h, die Softshell liegt hier bei einem Wert von 7000. Dieser Unterschied ist zwar messbar, ob er auch spürbar ist, bezweifle ich jedoch.
    • Regenjacken sind ebenfalls winddicht, darüber hinaus auch wasserdicht. Dies wird meist durch eine mikroporöse (oder auch eine hydrophil/hydrophobe und damit porenlose) Membrane erreicht, die unterschiedliche Qualitäten und Eigenschaften haben kann. Faustregel: je teurer die Jacke, desto besser die eingebaute Membran, desto mehr Wasserdampf kann entweichen und desto “dichter” ist die Jacke zudem gegen Regen.
    • Werte wie “MVTR” bzw. “RET” und “Wassersäule” vergeben die Hersteller ihren eigenen Produkten. Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob die Hersteller “ehrlich” testen, also das komplette Produkt mit Außenmaterial, Nähten, Nahtbändern und Reißverschlüssen etc., oder einfach nur ein Stück Membran testen. Es gibt solche und solche. Unabhängige Tests haben sich noch nicht durchgesetzt.
    • Angaben des RET (gibt den Widerstand an, den das Material dem Wasserdampf entgegensetzt) sind seriöser als Angaben zum MVTR. Beim MVTR kocht jeder Hersteller sein eigenes Süppchen, die Messung ist nicht wissenschaftlich über Hersteller hinweg reproduzierbar. Der RET-Wert ist, was die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse angeht, deutlich nachvollziehbarer. Aber auch hier haben sich die Hersteller nicht auf ein gemeinsames, unabhängiges Testverfahren geeinigt. Jeder testet also zu seinem eigenen Vorteil.

    Der Vorteil von aufeinander abgestimmten Lagen ist: guter Dampfdurchgang sowie die Flexibilität des Systems, um das Bekleidungssystem schnell an die gegebenen und sich verändernden Verhältnissen anzupassen. Mit mehreren Lagen Kleidung kann durch An- und Ausziehen schnell auf sich verändernde Witterungsbedingungen reagiert werden.

    Optimiertes Zwiebelprinzip

    Prinzip: wer überhitzt, verliert – das bedeutet umgekehrt auch: frieren ist effektiver als schwitzen.

    Ein Wort vorweg zur Atmungsaktivität: damit die Wundermembranen überhaupt funktionieren können, bedarf es einer Differenz der Luftfeuchtigkeit zwischen innen und außen. Wenn es in der Kleidung warm und feucht ist, funktioniert die Atmungsaktivität gut, der Wasserdampf tritt durch die Membran und wird an die Umgebungsluft abgegeben. Für Physiker ist das Stichwort hier Dampfdruckgefälle. Je höher die Luftfeuchtigkeit draußen ist, desto schlechter funktioniert das Ganze. Die oft zitierte Temperaturdifferenz spielt nur insofern eine Rolle, da warme Luft mehr Feuchtigkeit halten kann als kalte Luft – und somit die Luftfeuchtigkeit bei höheren Temperaturen tendenziell größer ist. Man sollte sich aber auch von den teuersten Membranen keine Wunder erwarten, naßgeschwitzt ist man bei entsprechend schweißtreibender Aktivität trotzdem. Durch geschickte Kombination der Kleidung kann das aber ein wenig vermindert werden.

    Eine möglichst umfassende Tourenplanung ist die Voraussetzung, um überhaupt in die Berge zu gehen. Man muss also mit einiger Sicherheit wissen, wie das Wetter werden wird. Wird es heiß? Wie stark kühlt es Abends oder Nachts ab? Wird es Niederschläge geben und welcher Art werden diese sein? Regen oder Schnee? Was für anderes Equipment gilt, gilt für die Auswahl der Kleidung umso mehr: möglichst perfekte Vorbereitung und Auswahl entscheidet – durchaus auch über Wohl und Wehe.

    Zwiebelprinzip im Sommer oder bei Hitze

    Füße: wasserdichte und atmungsaktive Bergstiefel können bei sommerlichem Wetter nicht sehr gut atmen! Besser auf nicht wasserdichte Schuhe ausweichen. Diese trocknen auch wesentlich schneller, falls sie doch nass geworden sind.

    Beine: Kurze, gut belüftete Hosen sind meist völlig ausreichend, bei längeren Pausen oder am Abend kann man auf die lange Hose im Rucksack zurückgreifen. Der Körper verliert nur wenig Wärme über die Beine. Vorsicht bei Zip-Off Hosen: die müssen genau passen, damit nichts reibt! Eine weitere Möglichkeit: Tights zum Joggen und kurze Hose kombinieren. Unterwäsche sollte, wie oben beschrieben, aus Funktionsmaterial bestehen – oder man lässt sie einfach ganz weg, wenn man in der kurzen Hose, wie zum Beispiel in Laufhosen, eine netzartige Innenhose hat.

    Oberkörper: bei heißem oder gar schwülem Wetter ist der schnelle Abtransport von Schweiß weg von der Haut meiner Meinung nach nicht nur eher unangenehm, sondern kann auch zu Überhitzung führen. Überhitzung führt zu erheblichen Leistungseinbußen bis hin zu Hitzschlag. Also trage ich im Sommer lieber leichte, lockere Oberbekleidung und keine eng anliegende Funktionsunterwäsche oder Funktionsshirts. Altmodische Berghemden unserer Vorväter oder luftige T-Shirts sind im Sommer also durchaus angebracht. Eine leichte, winddichte Jacke schützt bei Pausen vor zu großer Auskühlung.

    Kopf: ein gut belüfteter Sonnenschutz schützt die Haut vor Sonnenbrand und vor Hitzschlag. Langwellige Sonnenstrahlen, die zum Hitzschlag führen können, werden auch durch einen dünnen Hut oder eine Kappe gut abgehalten.

    Hände: Sonnencreme auf dem Handrücken nicht vergessen! Tipp zum Klettern oder Klettersteiggehen: an den Fingern gummierte Gärtner-Handschuhe aus dem Baumarkt: viel Grip und Schutz für wenig Geld.

    Zwiebelprinzip im Winter oder bei Kälte

    Füße: Schurwollsocken haben sich bei mir bestens bewährt. Immer ein wasserdicht verpacktes Ersatzpaar mitnehmen! Bei niedrigen Temperaturen macht eine wasserdichte und atmungsaktive Membran in Schuhen durchaus Sinn. Wenn die Schuhe jedoch von innen Nass werden, trocknen sie selten bis zum nächsten Tag. Zwei Plastiktüten als VBL / Vapor Barrier Liner können hier Abhilfe schaffen.

    Beine: Hier bieten sich zwei Möglichkeiten: zum warm halten eine lange Unterhose. Die gibt es von relativ dünn bis Fleecestärke. Hier muss man natürlich auch auf Funktionsmaterial achten und nicht etwa die alte Baumwollene anziehen. Darüber wird dann entweder eine Softshell- oder sogar Hardshell-Hose als Wetterschutz gezogen. Wenn es wirklich kalt ist, kann man auch beides kombinieren.

    Oberkörper: ein langes, eng anliegendes Funktionsunterhemd oder ein Funktionshemd, das sich zudem noch aufknöpfen lässt, eventuell eine dünne Isolationsschicht aus Fleece, darüber die ein atmungsaktives Windshirt oder eine dünne Softshell. Eine Hardshell nur in wirklich nasser Umgebung anziehen – keine Hardshell ist so atmungsaktiv wie eine gute Softshell. Das Wichtigste: die dicke Daunenjacke wirklich nur bei Pausen und wenn wirklich nötig – drüber ziehen.

    Kopf: Über den Kopf verliert der Körper tatsächlich am meisten Wärme, also gut schützen! Mütze oder gar Balaclava anziehen, darüber evtl. die Kapuze der Soft- oder Hardshell, um den Wind draußen zu halten.

    Hände: Kombinieren! Ersatz-Handschuhe wie die Ersatzsocken auch wasserdicht verpackt im Rucksack aufbewahren. Gummierte Gärtner-Handschuhe aus dem Baumarkt gibt es auch in der Winterausführung. Eventuell dünne Seiden-Unterziehhandschuhe (im Motorradladen gibt es solche Liner-Handschuhe oft deutlich günstiger als im Outdoorladen), darüber dann die wasserdichten Handschuhe. Je nach Anwendung und Kälte besser Fäustlinge benutzen, die halten die Finger wärmer. Auch hier können günstige Einmalhandschuhe als VBL dienen.

    Ich habe in einem weiteren Artikel einige Tipps und Tricks zusammengefasst, wie man auch bei großer Kälte warm bleibt.

    Allgemeine Grundregeln zur Kleidungswahl

    • Wer beim losgehen nicht friert, ist zu warm angezogen!
    • Zu viele Schichten über einander getragen bringt nichts. Der Körper verwendet viel Energie damit, die vielen einzelnen Luftschichten zu erwärmen. Besser ist es, die richtige Kleidung einzupacken und geschickt die einzelnen Schichten miteinander kombinieren. Gerade die Isolationsschicht / der Midlayer sollte den erwarteten Temperaturen angemessen sein.
    • Auch wenn das Wetter gut zu sein scheint, immer ausreichend und angemessen Isolation (sowie Wechselsachen) mitnehmen und einen (Not-)Biwaksack einpacken – unser 10 Essentials Artikel gibt da wertvolle Tipps.

    Tipp: mehr praktische Tipps und ausführliche Artikel findest Du in unserer Know-How-Sammlung.

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