Bei strahlendem Sonnenschein ging es auf einen Lawinen-Grundkurs der Mammut Alpine School. Auf einer kurzen Schneeschuh-Tour wurden uns die Grundlagen der Lawinenkunde näher gebracht.
Treffpunkt war der Bahnhof in Andermatt. Knapp schafften wir die vereinbarte Zeit von 10:00 Uhr, denn bei diesem schönen Wetter war Andermatt und seine Parkplätze zum Bersten voll. Dominik, unser Kursleiter, gab die noch fehlende Ausrüstung aus: Lawinensonde- und Schaufel und ein LVS-Gerät. Die restlichen Ausrüstungsgegenstände wie Softshelljacken und Tourenhosen verschwanden wieder in den Kartons, da wir alle ausreichend gut ausgerüstet waren.
Ein kurzer Fußmarsch durch Andermatt brachte uns an den Start des abgesteckten Schneeschutrails. Dort schnallen wir die Schneeschuhe an und absolvierten den obligatorischen Test der LVS-Geräte. Einer nach dem anderen, in einem Abstand von etwa zwei Metern, gingen wir an Dominiks LVS vorbei und hofften auf den “piep”. Gut, alle Geräte funktionieren.
Schon bald darauf gab es die erste Theorielektion. So sollte es den ganzen Kurs über gehen: ein Stück laufen, und an passender Stelle im Gelände entweder eine Theorie oder Praxiseinheit. Gerade die theoretischen Grundlagen wurden dadurch immer ein wenig aufgelockert und in mundgerechten Häppchen serviert. Das Anschauungsmaterial Schnee und Lawinen gab es rund um uns herum: die verschiedensten Mini-Lawinen beziehungsweise deren Hinterlassenschaften eigneten sich sehr gut, um die Entstehung von verschiedenen Lawinenarten zu erklären.
Praxis
Mich persönlich hat im Praxis-Teil doch sehr beeindruckt wie schnell und vor allem präzise Verschüttete mit einem LVS-Gerät lokalisierbar sind. Im Übungsgelände funktioniert das Finden von Verschütetten wirklich gut und schnell, auch das Sondieren mit der Lawinensonde ist in einem Nicht-Panik-Modus gut machbar. Im Ernstfall wird dies aber sicher schwieriger beziehungsweise vor allem anstrengender. Unser Übungshang war eben nur sachte ansteigend. Im Ernstfall, in steilem Gelände und unter Schock, wird das Erlernte hoffentlich abrufbar bleiben. Den Tipp von Dominik werde ich jedenfalls beherzigen: Übung macht den Meister, und Wiederholung bringt Routine.
Sehr praktisch und einleuchtend fand ich die schnelle Methode zur Beurteilung der Hangneigung mittels der Skistöcke: einfach mit den beiden Stöcken und dem Schnee ein gleichschenkliges Dreieck (grün) erzeugen. Den talseitigen Stock (schwarz) auspendeln lassen, also das Lot finden, der Kontaktpunkt des ausgependelten Stockes mit dem Schnee zeigt nun an, ob die Neigung kleiner bzw. größer 30° ist. Wenn das Lot genau auf dem Ende des Stockabdruckes steht, so sind es exakt 30°, weniger 30° wenn innerhalb des Abdruckes, und mehr als 30° wenn außerhalb des Abdruckes. Mit Hilfe der Faust kann man sogar noch genauer messen. Ein Faustabdruck entspricht ungefähr 3°. Drei Fäuste nach innen bedeuten also 30° minus 9° also ungefähr 20°. Drei Fäuste nach außen: 30° plus 9° also 39°. Diese Methode deckt also genau der Bereich ab, in dem erhöhte Lawinengefahr besteht: ab 30° Hangneigung geht es los.
Theorie
Somit sind wir schon bei der Theorie. Das toll aufgemachte Faltblatt “Achtung Lawinen!”, vom Kern-Ausbildungsteam “Lawinenprävention Schneesport” herausgegeben, bringt das theoretische Grundwissen, die Gefährdung durch Lawinen einzuschätzen. Die wichtigsten Faktoren vor Ort für den Einzelhang sind: Hangneigung, Exposition/Ausrichtung des Hangs (sonnig oder schattig), Wind (der Baumeister der Lawinen) und Lufttemperatur, Lawinenmuster (Schneebeschaffenheit) sowie die Höhenlage. Diese und einige weitere Faktoren, wie zum Beispiel der Bewuchs des Hanges (Kupiertes Gelände), müssen vor und vor allem während der Tour andauernd eingeschätzt werden.
Vieles kann schon bei der Planung am heimischen Schreibtisch berücksichtigt werden. So erhielten wir eine ausführliche Erklärung des Lawinenbulletins und wie wir mit den darin enthaltenen Informationen bei der Tourenplanung arbeiten können. Wichtige Planungsinstrumente sind außerdem: die topographische Karte zur Einschätzung des Geländes und der Hangneigung sowie eine gute Wettervorhersage.
Zum Abschluss gab es noch eine eindrucksvolle Demonstration eines Lawinenairbags. Wer viel in lawinengefährdetem Gelände unterwegs ist, sollte sich wirklich die Anschaffung überlegen!
Schlussbemerkung
Wie immer führt das “mehr Wissen” beinahe zwangsläufig zur Erhöhung der Risikobereitschaft. So sind wir Menschen halt. Wobei natürlich das Nicht-Wissen ebenfalls nicht gerade gut ist. Wer im Schnee in den Bergen unterwegs ist, sollte sich daher in einem Lawinenkurs mit den Grundlagen vertraut machen.
Bei aller Theorie und Praxis: die Gefahr einer Lawine lässt sich freilich durch einen Lawinenkurs nicht verringern, es wird nur eine Beurteilung und Risikoeinschätzung möglich. Es ist ein Spiel der Wahrscheinlichkeiten: selbst bei “grüner”, also geringer Gefahrenstufe sterben immerhin noch 4% aller Lawinenopfer. Mit 31% und 57% ist es in der mässigen und erheblichen Gefährdungsstufe allerdings deutlich wahrscheinlicher, in einer Lawine umzukommen. (Quelle: SLF.ch)
Zusammenfassend war der Kurs ein voller Erfolg : Dominik hat die richtige Mischung aus Lockerheit und Ernsthaftigkeit, von Tour, Praxis und Theorie, sehr gut getroffen. (Kleine Anekdote am Rande: er hatte wohl die gleiche Idee wie wir – er ist unter www.aufundabt.ch erreichbar – was ihn gleich noch mal sympatischer macht 😉
Empfohlene Literatur:
- Harvey, Rhyner, Schweizer: Lawinenkunde: Praxiswissen für Einsteiger und Profis zu Gefahren, Risiken und Strategien* (2014)
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