Für einfache Wanderungen, leichte Zustiege und für den Alltag im Winter sind meine La Sportiva Bergstiefel nun wirklich nicht geeignet. Vor allem bei längeren Distanzen auf Schotter- oder Teerstraßen merke ich die steife Sohle deutlich in den Knien. Meine alten, „leichten“ Hanwag bekamen vor kurzem ein Pärchen neue Füße geschenkt, also blieb eine Schuh-Lücke, die es zu füllen galt.
Ein leichter, bequemer, unauffälliger Leichtwanderstiefel für leichte bis mittelschwere Wanderungen und Zustiege sowie für den Alltag im Herbst- und Winter sollte es werden. Nach etwas Recherche entschied ich mich für einen ausgiebigen Test des Haglöfs Crag Hi GT, der meinen theoretischen Anforderungen ganz gut entsprach.
Die Theorie: Meine Anforderungen
Eine alte Wanderregel besagt: 100 Gramm Gewichtsersparnis an den Füßen bewirken etwa so viel wie ein um 500 Gramm leichterer Rucksack. Die ungefähre Differenz von 400g zwischen dem Crag Hi GT (1440g) und dem LaSportiva Trango Alp (1850g) summiert sich also auf 2 Kilogramm, welche ich nicht mit mir herumzuschleppen brauche. Natürlich gibt es auch noch leichtere Outdoorschuhe, z.B. die beliebten Trailrunners oder Approachschuhe. In diesen „Turnschuhen“ würde ich mich in den Bergen nicht besonders wohl fühlen, weil ich meinen Knöcheln beziehungsweise den Bändern nicht zutraue, ein plötzliches Umknicken zu verkraften. Hier geht für mich die Sicherheit eines hohen Schaftes vor.
Über Sinn- und Unsinn des Einsatzes von wasserdichten- aber wasserdampfdurchlässigen Membranen ist viel geschrieben worden. Gerade aber der Punkt, daß solche Membranen nur bei einer gewissen Temperaturdifferenz funktionieren können, ist besonders beim Schuhkauf wichtig. Für einen Sommerschuh oder Wüstenstiefel macht eine Membrane keinen Sinn und man ist deutlich schlechter dran als bei dem von mir gewählten Einsatzbereich „Herbst- und Winter“ – hier kann eine Membran ihre Stärken ausspielen und verspricht warme und trockene Füße.
Die Praxis: Erste Eindrücke, Verarbeitung und Passform
Verarbeitung
Der Schuh ist sauber verarbeitet, alle Nähte sauber und gerade, nirgends sind Klebestellen zu sehen. Das Obermaterial aus Polyamidgewebe und Wildleder ist wasserabweisend ausgerüstet und wasserdampfdurchlässig. Der gummiverstärkte Geröllschutz am Fersen- und Zehenbereich schützt das Obermaterial an den besonders beanspruchten Stellen.
Passform
Beim ersten Anziehen überraschte mich die recht große Zehenbox. Nach einigen Schritten jedoch relativierten sich meine Befürchtungen: nichts rutscht, nichts drückt. Die Schnürung läßt sich auch ganz gut an meinen ziemlich hohen Rist anpassen, dadurch sitzt der Schuh wie angegossen und die Zehen haben trotzdem genug Platz, – was gerade beim bergab-gehen wichtig ist.
Der halbhohe Stiefel umschließt den Knöchel knapp und bietet so gerade so genug Schutz vor dem Umknicken. Allerdings hat der kurze Schaft auch den Nachteil, daß er beim Gehen etwas steif daher kommt und – an meinen Füßen – oberhalb des Innenknöchels drückt. Nach einigen Tagen Tragezeit verschwand aber das Anfangs unangenehme Drücken komplett.
Die Sohle ist ein wenig steifer als von Leichtwanderstiefeln gewohnt und bietet so in leichten Kletterstellen recht gute Kontrolle, das Abrollverhalten leidet trotzdem nicht.
Fußbett
Nach dem Auspacken fällt sofort die spezielle Einlegesohle auf: das SOLE footbed. Durch Erwärmen, entweder zwei Minuten im Ofen bei 90° oder beim Gehen selbst, passt sich das Fußbett dem Fuß an und soll so helfen, z.B. die Gewichtsübertragung auf die Fußsohle zu optimieren und leichte Fehlstellungen zu korrigieren und damit verbundene Schmerzen zu vermeiden.
Mein Eindruck: bequem ist solch ein angepasstes Fußbett auf jeden Fall, ob es aber tatsächlich hält, was es verspricht, kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich fürchte, ein direkter Vergleichstest mit normalen Einlegesohlen würde durch andere Faktoren wie z.B. der jeweiligen Tagesform nivelliert.
Fazit
Fazit nach einem Wochenende im Alpstein: eigentlich ein guter Schuh, allerdings: von der angepriesenen „hervorragenden Trittsicherheit durch Friktionsgummi“ der Gummisohle ist leider bei der Kombination von Kälte und Nässe nicht mehr viel übrig. Im Vergleich zu den La Sportiva und auch zu meinen alten Hanwag ist die Traktion unter diesen, am Berg doch recht normalen, Bedingungen deutlich schlechter! Nach mehreren zum Glück ungefährlichen Ausrutschern auf nassem Fels bei ca. 10° Außentemperatur war die Freude an diesem sonst einwandfreien Schuh doch sehr getrübt.
Wenn ich mich bei einem Schuh auf etwas verlassen will, dann sind das zwei Punkte: Unterstützung durch Stabilisierung sowie hervorragenden Grip unter (fast) allen Bedingungen.
Leider ist der Haglöfs Hi GT aufgrund seiner Sohle für anspruchsvollere Unternehmungen ab T3 unbrauchbar – und für alles darunter eigentlich überdimensioniert.