Der Aufstieg
Wir kommen in der Früh gegen 9 Uhr in Les Houches (1003m) an. Aus der Schweiz kommend, kleben wir praktisch die ganze Zeit am Fenster und schauen hoch auf das aufragende Mont-Blanc-Massiv. Der Bossons-Gletscher hängt am steilen Berghang und endet erst auf 1400 m.ü.NN praktisch mitten im Wald. Am Bahnhof sammeln wir uns und machen uns auf den Aufstieg Richtung Tete-Rousse-Hütte. Es geht durch den Ort, die Schilder weisen uns zum Col du Mont Lachat. Durch steilen und ursprünglichen Wald geht es aufwärts, wir brauchen ungefähr 2 Stunden, dann gönnen wir uns erstmal ne Pause am Col (2073m). Hier zuckelt alle halbe Stunde mal die Zahnradbahn vorbei, auf dessen Trasse der Weg weitergeht und an der Bergstation Nid d’Aigle (2372m) endet. Hier lässt man die Massen an Touristen schnell hinter sich, sobald man den Pfad Richtung Col des Rognes einschlägt. “Masse” ist hier relativ, denn auch der Normalweg auf den Mont Blanc ist weitaus frequentierter als der durchschnittliche 4000er. Über Geröllfelder geht es aufwärts, hier gibt es kein Wasser, die Sonne brennt und so sind wir froh als wir am ersten Schneefeld an der Rognes-Hütte (2768m) ein wenig tanken können. Von hier ist nur noch der Zickzackweg in der Felsflanke auf das kleine Gletscherplateau zu schaffen, auf der die Tete-Rousse-Hütte (3167m) und der dazugehörige Biwakplatz liegt.
Der Biwakplatz
Der Platz ist genial, schöne kleine ebene Zeltplätze liegen nebeneinander. Man kann sich entscheiden, ob man für 5,20 CHF pro 1,5 Liter Wasser an der Hütte kauft oder einfach den Ablauf des Firnfeldes abzapft :). Dort gibt es ein Trockenklo, welches zwar fürchterlich stinkt, aber so immerhin der Umwelt dient. Naturgemäß hat’s hier draußen eigentlich nur nette Leute, wir tauschen uns über die Startzeit am nächsten Morgen aus und wer was von der Route erwartet. Der Abend endet mit einem grandiosen unverstellten Sonnenuntergang im Westen.
Der Gipfeltag
Der Wecker klingelt um 3 Uhr, schnell sind wir auf den Beinen und nehmen den Aufstieg in Angriff. Der heikelste Part ist direkt das steinschlaggefährdete Grand Couloir zu Beginn. Wir beeilen uns, die 30-Meter-Traverse hinter uns zu bringen. Ab hier geht es auf gut sichtbaren Wegspuren und Steigeisenkratzern entlang die Bergflanke hoch. Hoch über einem glitzern die Lichter der neuen Gouterhütte am Felsrand. Bei solchen trockenen Verhältnissen braucht man unserer Ansicht nach weder Steigeisen noch Seilsicherung, trotzdem sind mehrere Gruppen so unterwegs. Um 5 Uhr stehen wir an der alten Gouterhütte (3817m), die Neue steht zweihundert Meter weiter südlich. Hier schnell gefrühstückt, in’s Kletterseil eingebunden und los geht’s. Der Vollmond beleuchtet den weiteren Aufstieg, die Stirnlampen der anderen Seilschaften reihen sich wie eine lose Perlenkette in den Schnee. Zwei weitere Stunden später, gegen 7 Uhr, sind wir am Dome du Goûter (4304m), laufen über das flache Stück Gletscher, wo man Fussball spielen könnte, und erreichen die silberne Schachtel des Vallot-Biwaks (4362m). Hier eine kurze Pause einlegen, aufwärmen, futtern, dann geht es weiter. Wir haben eine wahnsinnige Aussicht, nur über den Bosses-Grat und den Mont Maudit ziehen langsam Wolken. Noch sehen wir den Gipfel, mit jeder Menge Leute auf dem Grat. Steil hinauf in autobahnmäßigen Spuren sehen wir allerdings bald nichts mehr, ab den Bosses (4547m), stecken wir ganz in der Wolke, ebenso der Gipfel. Es ist aber nahezu windstill, die Hundertschaften kommen uns entgegen und nach dem schmalen Gipfelgrat stehen wir gegen 9 Uhr ganz alleine auf dem Mont Blanc (4808m). Die Sonne scheint leicht durch die Wolkenschwaden, schafft es aber nicht, uns blauen Himmel oder Aussicht zu bescheren. Egal! Wir habens geschafft! Für diese Höhe fühlen wir uns relativ super, da gibt es wohl ganz andere (Kotzflecken kurz vorm Gipfel, sehr angenehm).
Die fehlende Aussicht beschränkt den Gipfelaufenthalt auf ein Minimum, wir machen uns an den Abstieg. Sehr schnell sind wir wieder am Vallot-Biwak, hier ist es viel wärmer. Wir legen uns kurz hin. Der Abstieg zur Gouterhütte ist wiederum in einer Stunde geschafft, wir sind jetzt wieder aus der Wolke raus und genießen das Panorama in alle Richtungen. Auch hier, auf 3800 m.ü.NN, verstellt kein Berg nach Westen und Norden den Blick, allenfalls ein paar Wolken. Jetzt kann das ganze Gerödel im Rucksack verstaut werden und die Kraxelpartie runter Richtung Biwak regt noch mal zur Konzentration an. Im Grand Coulouir geht ab mittags immer die Post ab, im Minutentakt rauschen Steine vorbei. Man kann hier entweder mit dem Seil an einem hoch hängenden Stahlseil sichern und weiter unten im Geröll queren, oder in dem rutschigen, aber kürzeren Schnee- und Eisstück auf gleicher Höhe wie in der Früh. Nur wenn man im Steigeisengehen geübt ist (!), kann man wie wir in 10 Sekunden die Traverse im steilen Schnee rennen und ist so nur kurz in der Gefahrenzone. Das kurze Gletscherstück danach lässt sich bequem zum Biwakplatz abfahren. Kaum haben wir unsere Sachen geordnet und die Füße befreit, rauscht eine Felslawine mit autogroßen Brocken das Grand Coulouir hinab und schafft völlig neue Verhältnisse in der Querung. Glück gehabt!
Der dritte Tag, entspannter Abstieg
Wir haben Ferien, also verbringen wir den Nachmittag hier oben, schlafen noch eine Nacht im Zelt und machen uns erst am nächsten Morgen, gegen 9 Uhr, an den Abstieg nach Les Houches. Hier nehmen wir die Alternative, welche auf der Moräne des Bionassay-Gletschers entlang führt, uns nach der Bahnstation Bellevue aber wieder in den steilen Wald führt. Eine Stunde mit Heidelbeerpflücken verbracht, kommen wir mit blauen Fingern und zufrieden wieder in Les Houches an, wo dann nur noch 7 Stunden Zugfahrt auf uns warten. Geile Tour!