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    Altmann und Säntis

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    Altmann und Säntis

    Was man in 24h so alles erleben kann… eine nicht ganz alltägliche Bergtour! Altmann Südkamin (…Versuch) und Säntis über den Lysengrat.

    Freitag um Viertel nach fünf Uhr Abends mache ich mich auf den Weg zum avisierten Zwinglipass, um am nächsten Tag den Altmann zu besteigen. Ich will den Süd- oder den Schaffhauserkamin versuchen.

    Zügig komme ich den Brültobel hoch und bis zur Bollenwees, brauche für dieses recht langweilige Wegstück nicht mal zwei Stunden. Am Fälensee entlang, hinter der Fälenalp hoch, eine kurze Rast und ein Müsliriegel, und weiter geht es. Die Alp Häderen lasse ich hinter mir, kurz darauf beginnt es schon zu dämmern. Nicht mehr ganz so zügig steige ich weiter auf, nun auf etwas wilderen, ausgewaschenen und nassen Wegen. Das hohe Gestrüpp durchfeuchtet meine Beine.

    Der Hunger

    Unterhalb eines Schneefeldes sehe ich im Stirnlampenschein eine kleine, flache Erhebung und will dort schon mein kleines Zelt aufstellen. So könnte ich Wasser zum Kochen…. Moment! Ich Depp habe doch tatsächlich den Topf vergessen! Tatsächlich! Die letzte Mahlzeit, zwei Hamburger, war gegen drei Uhr Nachmittags, und eigentlich hat mich bis eben vor allem der Hunger hoch auf den Pass getrieben! Ich schleppe mich hoch, mein Ziel will ich wenigstens noch erreichen. Fünfhundert Meter weiter der Zwinglipass. Ich suche nach einer ebenen Fläche ohne Kuhfladen, baue mein kleines hellgrünes Biwak-Zelt auf. Vor lauter Ärger und Hunger kann ich erstmal nicht einschlafen. Den einzigen Müsliriegel habe ich ja noch im Tal bei der Fälenalp verputzt.

    Die (Ver-)Suche

    Am Morgen bimmelt mich eine Kuh wach. So eine Kuhglocke kann ganz schön laut sein, wenn das Vieh etwa zwei Meter vom Zelt entfernt beginnt zu grasen. Müde stehe ich auf, zwei Murmeltiere kreischen panisch. Schnell packe ich zusammen und gehe weiter. Links die Zwinglipasshütte, rechts der Altmann. Soll ich…? Nein, das wird schon gehen, drücke mir ein Energie-Gel rein und steige weglos zur Südwand des Altmann, setze meinen Helm auf und umklettere das Schneefeld am Einstieg zum Südkamin rechts herum. Müsste gehen, hier ein Tritt, da ein Griff im “glatten Wändchen”. Doch schon ein Kletterzug weiter oben sieht die Sache schon anders aus. Dort, im Querkamin ist alles nass, ein Bohrhaken verunsichert mich noch zusätzlich. Ja, das ist eindeutig die Schlüsselstelle. Vielleicht komme ich den nächsten Zug noch hoch, weiß aber nicht, ob ich mit diesem voluminösen Rucksack und den 12 Kilogramm dann im Kriechgang auch weiter komme. Ich klettere die zwei Züge wieder ab. Hätte ich ein kurzes Stück Seil, um den Rucksack nachzuziehen, und einen Gurt mit einigen Schlingen um die Fallhöhe wenigstens etwas einzuschränken… Naja, was solls. Müde, hungrig, enttäuscht ziehe ich mich zurück, Südseitig um die Wand herum, und suche den Einstieg zum Schaffhauserkamin. Finde keine Stelle, die auf Anhieb gangbar aussieht. Dann also der Normalweg. Der Anstieg hoch zum Rotsteinpass zehrt nochmals Kräfte.

    Der Altmann

    Am Altmannsattel. Vor mir klettert jemand schon den Normalweg hoch, ich warte kurz, um ihm Vorsprung zu geben, und das Risiko von eventuellem Steinschlag für mich zu minimieren. Recht einfach (T5, I) klettere ich der speckigen Spur nach. Auf halbem Weg nach oben kommt mir mein Vorgänger schon wieder entgegen und mir fallen sofort seine zittrige Knie auf. Ich empfehle ihm, rückwärts abzuklettern. Hier unten sei es ja kein Problem, weiter oben sei er dann aber umgedreht. Wir verabschieden uns, ich klettere ruhig und konzentriert weiter. Plötzlich war ich oben, noch 10 Meter bis zum Gipfelkreuz. Ich deponiere meinen Rucksack, der kurze Grat ist doch sehr luftig. Vorsichtig klettere ich rüber, setze mich zu den beiden Kletterern, die eben aus dem Südkamin kamen. Ein nettes Gespräch über die verschiedenen Routen und den Alpstein an sich entwickelt sich. Sie standen einzeln schon öfter am Einstieg zum Südkamin, hätten sich aber auch nicht getraut. Jetzt, mit Partner und Minimalabsicherung, war es kein großes Problem. Ich bekomme einen Müsliriegel geschenkt. Noch kurz ein Gipfelfoto und wir gehen los. Mit ihren kleinen, leichten Rucksäcken sind sie schnell außer Sichtweite. Heikle Passagen klettere ich rückwärts ab, denn mein 50 Liter Rucksack ist unten etwas länger, so dass ich kaum Kontrolle über meinen Hintern habe und einfach mehr Platz für Arsch und Rucksack brauche, als der Fels mir bietet. Ich komme aber schnell und sicher unten an und mache mich auf den Rückweg zum Rotsteinpass. Inzwischen fühle ich mich doch schon recht ausgelaugt, es kostet Kraft.

    Ein Kaffee und Blasen

    Der Abstieg zur Rotsteinhütte geht recht flott, wenn auch nicht ganz ungefährlich. Immer noch im Geldsparmodus bestelle ich ein Glas heißes Wasser für zwei Franken Fünfzig und schütte die doppelte Portion Instantkaffee hinein. Wow! Also wirklich, kaum vorstellbar, dass ich ohne Kaffee überhaupt so weit gekommen bin. Ich gönne mir eine lange Pause. So sammle ich zwar neue Kräfte, aber die Blasen, die ich mir gestern schon im Anstieg zur Bollenwees gelaufen habe, machen mir zu schaffen. Bisher konnte ich die Schmerzen ignorieren, nur jetzt habe ich die Beiden gesehen – und was ich sah, sah nicht gut aus. Billige Socken, aus der Eigenmarke eines Sportfachgeschäftes. Es ist schon das zweite Mal, dass ich mir damit Blasen laufe. Zu Hause werfe ich sie weg!

    Vom Kaffee aufgeputscht mache ich mich auf den Weg. Die letzte Etappe, der Lisengrat zum Säntis, verspricht noch tolle Tiefblicke und spannende Wegführung. Jeder Schritt schmerzt, der Elan ist schnell wieder raus und ich stakse hölzern weiter. Endlich wird der Weg etwas anspruchsvoller, so daß ich mich aufs gehen konzentrieren kann. Ich sauge und sauge an meinem Trinksystem – leer. Na toll. Ich brauche wohl ewig, aber egal, jetzt nur nicht unkonzentriert werden. Vom Lisengrat bekomme ich eher wenig mit, bin zu sehr aufs gehen konzentriert. Auf einer Hochfläche mit Schafen, den Säntis im Blick, lege ich mich kurz in die Sonne, genieße die Aussicht, die Sonne und die Wolkenfetzen, die über mich gleiten und Erfrischung bringen.

    Turnschuhtouristen und Suppe

    Ziemlich am Ende meiner Kräfte kommen mir die Turnschuhtouristen auf dem letzten Stückchen felsigem Weg zum alten Säntis doch ziemlich komisch vor. Am ersten Tisch lasse ich mich fallen. Ich muss jetzt was essen, egal was es kostet. Frage das junge Mädchen, was denn das günstigste Essen sei. Sie schaut komisch herab: “Suppe … dann aber ohne Wurst”. Ich bitte sie, mir viel Brot dazu zu brigen. “Es gibt soviel es gibt” war ihre genervt-herablassende Antwort. Nein, auf stinkende Bergsteiger mit Sonderwünschen und wenig Geld sind sie hier oben, auf diesem häßlich zugebauten Stück Fels, nicht eingerichtet. Sie bringt mir die Suppe mit drei halben, kleinen Stücken angetrocknetem Brot und einen halben Liter Mineralwasser. Fünfzehn Franken.

    Ich schlürfe meine heiße Suppe, fühle Lebenskraft zurückkehren, unterhalte mich mit einem Paar vom Bodensee. Die beiden trainieren für ein Himalayatrekking, ich spiele müde aber freundlich den Ausrüstungsberater. Kurze Zeit später sehe ich mich selbst eine Karte für die Seilbahn kaufen (ha! es gibt einen Studententarif! Halber Preis, aber immerhin noch Siebzehnfünfzig) mit den beiden hinabschaukeln. Ich bin völlig fertig, sitze in der Gondel und weiß nicht, wer hier mehr Alien ist. Es gibt noch einen Doppelkeks zum Nachtisch, ganz langsam kaue ich und komme, je tiefer wir fahren, immer mehr zurück in die normale Welt. Die beiden nehmen mich im Auto mit nach Konstanz. Keine Ahnung mehr, über was wir uns in der Stunde Fahrt unterhalten haben.

    Italienischer Kaffee und Konversation

    Sie lassen mich raus, ich stakse über die Straße, will die vier Stockwerke nicht hoch und setze mich ins Pampanin, bestelle – genau vierundzwanzig Stunden nach meinem Abmarsch in Brülisau – einen Eiskaffee. Kaffee, Fett, Zucker. Momentan brauche ich nicht mehr. Es entwickelt sich ein nettes Gespräch, die Brüder Pampanin sind aus den Dolomiten, die Marmolada direkt vor ihrer Haustüre. Sie sind früher viel geklettert, doch jetzt mit diesem Job und ihren Ferien sei es kaum mehr möglich. Zu viel Schnee im Herbst. Man kann nur noch wandern. Ich entgegne, dass das in der Gegend doch auch schön sei. “Aber Fels ist Fels”, entgegnet er.

    Literatur:

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